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An
die nächsten Ferien dachte sicher keiner, als unser Winzling Ellert in der
24.SSW das Licht der Welt erblickte, doch als er nach 20 langen,
komplikationsvollen Wochen im August 97 endlich nach Hause kam, waren wir alle
urlaubsreif. 5 Monate jeden Tag 140 km fahren, die beiden Geschwister von einer
Freundin zur anderen abgeschoben, jetzt mussten
wir alle erst wieder zusammenwachsen. Und
was bot sich da mehr an als zu verreisen? Wohin aber, mit einem
sauerstoffpflichtigen Kind, mit einem Zimmer voll Monitoren und Geräten und der
ständigen Angst, es könnte etwas passieren ? All unsere Bekannten hielten uns
für verrückt, was da alles passieren könnte !!! Unseren
Mädchen zuliebe entschlossen wir uns, in den Herbstferien nach Medebach in ein
subtropisches Badeparadies zu fahren und unser VW-Bus war vollgepackt bis unters
Dach. Allein wegen des großen Sauerstofftanks mussten
wir einen Sitz ausbauen. Ellert im Schwimmbad zu erleben, wie er sich freute und
planschte – das war alle Mühen wert ! Im
Frühjahr 98 verbrachte unser Sohn leider wieder zwei mal vier Wochen auf der
H4, seine Lungenprobleme waren einfach nicht in den Griff zu bekommen. Doch auch
direkt von dort aus starteten wir direkt in die Ferien, dieses mal hatten wir
uns ein Babyhotel in Bayern ausgesucht. Unser Ellert wurde eine richtige
Wasserratte und die Bewegung tat seiner verzögerten Entwicklung sehr gut!
Und, wie könnte es auch anders sein, im Sommer
sollte es etwas weiter weg gehen. In Kärnten hatten wir einen tollen warmen
Badesee im Prospekt entdeckt, da wollten wir hin. Als hätte er eine Nase für
Planänderungen, wollte unser Sohn drei Tage vor der Abfahrt unbedingt die
Station 1 kennenlernen, 40 Grad Fieber ohne ersichtlichen Grund, das wollten wir
vorher noch abklären lassen. Nach drei Tagen war der ganze Spaß vorbei und
unserem Dickkopf folgend fuhren wir auf eigene Verantwortung gen Süden, ein
Aufwand der sich bezahlt machte. Ellert ging es so gut wie noch nie. Zwei Wochen
Dauerbaden und er konnte sich endlich selbständig drehen, was für ein Erfolg für
ihn ! Wir
wollen hier sicher nicht alle Eltern dazu animieren, sich planlos in Ferienträume
zu stürzen, ein pflegeaufwendiges Frühgeborenes mit vielen Geräten kann man
nicht einfach ins Auto packen und losfahren. Und
man muss
von vornherein darauf gefasst
sein, angestarrt zu werden, Sauerstoff und Magensonde erregten noch überall
Aufsehen. Alle
Menschen vor Ort hat jedoch unser lachendes und glückliches Kind überzeugt, dass
er etwas ganz besonderes im positiven Sinne ist ! Egal
wohin wir auch fuhren, eine wochenlange Planung ging immer voraus. Kinderärzte
vor Ort haben wir immer im Vorfeld gesucht und teilweise dort auch gebraucht.
Auch muss
bei einem extrem empfindlichen Frühchen noch mehr als bei anderen Kindern auf
die Kleinkinderfreundlichkeit und
Einrichtung geachtet werden. Sicher, manche Dinge sind nicht ganz
einfach gewesen, so erfuhren wir zum Beispiel ganz nebenbei, dass man mit einem Flüssigsauerstofftank nicht autofahren darf. In der
Praxis ist dieses Verbot jedoch kaum einzuhalten, denn wie sollte man sonst zum
Kinderarzt kommen? Wir haben es in der ersten Zeit weder gewagt Ellert zu großer
Hitze auszusetzen noch sind wir mit ihm in die Berge gefahren. Selbstverständlich
war es auch all die medizinischen Geräte (Inhaliergerät, Sauerstoff, Monitor,
Pulsoximeter, Milchpumpe, Absauggerät, Ernährungspumpe...) und Medikamente
immer auf Vorrat mitzuhaben, denn schließlich kann man bei einem so labilen
Immunsystem wie es Frühchen nun einmal haben nie wissen. Antibiotika ließen
wir uns vorab für den Notfall verschreiben und wir hatten stets alle
medizinischen Akten dabei. Jeder Arzt hätte sich sofort ein Bild von unserem
Kind machen können. Wir finden daher nicht, dass wir verantwortungslos gehandelt haben. Viele
Dinge müssen also für einen solchen Urlaub vorbereitet werden, das größte
Wagnis war jedoch der Flug zu meiner Freundin nach Mallorca, als Ellert 18
Monate alt war . Aufgrund seiner extremen Infektanfälligkeit sollte er im
Herbst noch ein wenig Sonne und gutes Seeklima tanken, nie hätten wir gedacht,
dass
diese Pläne so aufwendig wären. Eigentlich
wollte ich mich bei verschiedenen Fluggesellschaften nur erkundigen, ob es für
schwerbehinderte Kinder Ermäßigungen gibt, heraus kam eine Kette von
Komplikationen. Hätten Sie gewusst,
dass
in einem Flugzeug auf Reiseflughöhe Druckverhältnisse herrschen, wie auf einem
2000m hohen Berggipfel ? Wieder kam es auf uns zu, das Sauerstoffproblem. Keiner
konnte uns vorhersagen, was dies für Sättigungsschwankungen ergeben würde und
auch die Fluggesellschaften wollten unser BPD-Kind nur gegen Vorlage eines
Attestes befördern. Wir stellten uns vor, einfach den Monitor mit in die Kabine
zu nehmen, Sauerstoff ist ja im Flugzeug vorhanden. Weit gefehlt, der ist nur für
unvorhergesehene Druckschwankungen und darf in einem solchen Fall wie unserem
nicht genutzt werden. Also wollten wir unseren eigenen Sauerstoff mitnehmen, was
aber auch verboten war, da Flüssigsauerstoff zu gefährlich ist (siehe Auto).
Wir mussten
uns eine normale O2-Flasche besorgen, die wir zwar in die Kabine
mitnehmen durften, nicht aber benutzen. Für uns wurde eine extra Flasche von
der Gesellschaft mitgeführt, welche vorher bei der Flugüberwachung angemeldet
werden musste.
Alles geregelt, schon im Vorfeld wie üblich einen Kinderarzt auf Mallorca
kontaktiert ( der
übrigens sehr nett war und uns bereitwillig seine Handynummer gab, falls es auf
der Insel einmal nachts Probleme geben sollte) stand ich mit meinen drei Kindern
in Stuttgart auf dem Flugplatz und wollte mich von meinem Mann verabschieden. Oh
Schreck, Polizei ! Was hatten wir angestellt, ich war mir keiner Schuld bewusst.
Unser Sauerstoff erregte Aufsehen und der Monitor erschien beim Durchleuchten
auch verdächtig. Nach einer halben Stunde Reden und Überprüfen durften wir
jedoch ins Flugzeug und hatten einen tollen Flug, Ellert ging es prächtig!
Seine Sättigung fiel niemals unter 95% und dort angekommen, genossen wir eine
Woche Badeferien zu einer Zeit, in der in Deutschland das Unwetter und
Hochwasser tobte. Übrigens,
auf dem Rückflug interessierte sich keiner für unsere Geräte, da hätten wir
alles mögliche mitnehmen können !!!
Wir
wollen uns mit unserer Geschichte nicht als vergnügungssüchtige Eltern
darstellen, sondern allen anderen Eltern Mut machen, sich mit ihrem Frühchen
ein so normales Leben wie möglich zu gestalten. Auch ein gesundheitlich beeinträchtigtes
Kind ist in gewisser Weise ganz normal und man kann mit Vorarbeit ein möglichst
normales Leben führen. Im
Alltag haben wir als Familie viele Sorgen und Belastungen, neben unserem
pflegeaufwendigen Kind habe ich noch zwei absolut wilde und chaotische Töchter,
die nun durch die ganze Situation sehr selbständig geworden sind. Mein
Mann wurde wegen der Belastung durch die ständigen Krisen unseres Sohnes durch
die Bundeswehr „strafversetzt“ und ich muss
für meine Familie alleine sorgen, da steht mir auch ab und zu etwas Erholung
zu. Ellert hat jeder unserer Urlaube ein Stück weiter in seiner Entwicklung
nach vorn gebracht, sei es durch die Bewegung im Wasser oder all der vielen
Zeit, die ich dort für ihn alleine hatte. Manchmal muss man
im Leben den Mut zu etwas Außergewöhnlichem und Verrücktem
haben – drei Kindern das Leben zu schenken war uns nicht
Wagnis genug ! |
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