Lerne ich essen?

 

                                

  Ellerts Homepage!

 

Warum willst Du denn nicht essen ? Stillen ???

 

    Kontakt zu uns

 

   Hit Counter

Grüner Spinat, braunes Hackfleisch, bunte Nudeln, weißer Pudding mit rotem Sirupmuster, Suppe, weißer Kartoffelbrei... alles fein säuberlich verteilt auf Hochstuhl, Klamotten, Haare, das ganze Kind verklebt – ich hatte nur eine Sorge, wer soll diese gewaltige Sauerei wieder wegmachen.

So sah sie aus, die erste große Lektion in Sachen „ Essen kann auch Freude machen“. Ellert matscht, rührt mit Fingern, Gabel, Löffel oder der ganzen Hand in allem was er erwischt, ab und zu steckt er einen Bissen in den Mund oder holt die Nudeln dort wieder raus, aber war das Essen? Ich würde wohl noch viel lernen müssen, vor allem Toleranz auf unserem Weg zu einem essenden Kind...

Weg vom ewigen Schokobrei im Glas, endlich etwas trinken, Hunger und Durst kennenlernen, dies waren unsere Ziele, als wir uns entschlossen, nach Graz zu fliegen.

Über eine Freundin hörten wir vom dortigen Landeskrankenhaus, nahmen vorab über Internet Kontakt auf zu Frau Prof.Dr.Dunitz-Scheer, der Oberärztin der dortigen psychosomatischen Station. Viele Seiten Literatur lasen wir immer wieder von vorne durch, einleuchtend klang alles, was dort geschrieben war.

In Deutschland hatten wir in den vergangenen Jahren keine Klinik gefunden, die unseren Vorstellungen entsprach. Die Grazer Theorien hatten uns neugierig gemacht. Kinder, die Freude am Essen hatten, von sich aus Hunger und Durst regulierten, dies war unser Traum schon lange.

Angekommen in der Klinik waren wir sehr erstaunt über den immensen personellen Aufwand für unser Projekt. Ärzte, Psychologen, Ergotherapeuten, Logopäden, Schwestern und Pfleger und jede Menge Studenten, alle scharten sich während der ersten Visite um uns, das Programm schien anzulaufen. In den ersten Tagen wurde Ellert genau beim Essen beobachtet und gefilmt, Gespräche wurden geführt und eines wurde uns gleich klar: Unser dünner Hering würde noch viel dünner werden, ehe er sich selbst regulieren konnte.

Zwei Jahre hatten wir ihn regelmäßig alle drei Stunden sondiert, später im gleichen Abstand gefüttert, Hunger hatte er nie kennenlernen können.

Aber er war seit einem Jahr kein Sondenkind mehr, gleich zu Beginn unseres Aufenthaltes überfiel mich die Logopädin mit der Frage, was wir hier wollten, mein Sohn würde ja essen. Jedoch zwischen freiwillig lustvoll essen und das Essen über sich ergehen lassen war doch ein riesiger Unterschied. Diese Diskussion führte ich genau drei mal, dann beschwerte ich mich, verunsichert war ich schon genug ohne diese Anspielungen.

Bei unserer Ankunft wog Ellert 9,4 kg, war 83 cm lang und fast drei Jahre alt.

Jeden Tag wurde nun eine Gläschenmahlzeit weggelassen, so sollte Ellert Hunger bekommen. Statt dessen gab es Spielessen, matschen und experimentieren war angesagt. Alles festgehalten auf Video, wenn nicht gerade mal wieder die Kamera weg war oder das Überspielkabel fehlte durfte ich die Situation später betrachten. Als nur noch zwei Mahlzeiten übrigblieben wurde Ellert unleidlich, jammerte den ganzen Tag und entdeckte etwas ganz Neues: Durst! Ich konnte es kaum glauben, auf einen Schlag trank er 150 ml Mineralwasser aus dem Becher. War das wirklich unser Sohn, der seit zwei Jahren keinen Schluck mehr getrunken hatte, noch Tage vorher die Zunge ins Glas streckte und alles wieder rauslaufen lies, wenn man ihm zu trinken geben versuchte???

Gleichzeitig aber lehnte er ohne ersichtlichen Grund das Essen, das er am Tag vorher noch gemocht hatte, völlig ab.

Tagesbilanz des 6. Tages: 300 gr Schokobrei, 1 Kitkatriegel, 5 Nudeln. Das Gewicht wurde weniger und weniger, beim täglichen Wiegen hatte er nur noch 8800 Gramm.

„Der isst und trinkt doch super“ kam es aus der großen Teambesprechung, ich zweifelte das erste mal an mir, und fragte mich, warum ich hier überhaupt hergefahren war. Zu hause würde er mir so verhungern! Aber so wie sich dies anhörte wollten sie mich bestimmt gleich wieder heimschicken. Mein Kind sei doch gar nicht so extrem dünn, ich konnte die Rippen jeden Tag genauer zählen, in der Zwischenzeit bildeten sich die Beckenknochen ab. Er glich immer mehr den magersüchtigen auf der Station.

Am nächsten Tag begann unser Absturz, drei Nudeln, Ellert verlor jegliches Interesse am Essen, Schokobrei gab es keinen mehr. Und jetzt? Nichts passierte, keiner äußerte sich dazu, es war Wochenende. Ich verfiel  in uralte längst vergessene Verhaltensmuster, rannte ihm mit dem Essen hinterher, maß jeden Milliliter Flüssigkeit ab, führte Listen. Hier ein Stück Schokolade, irgendwas muss doch reingehen. Keiner da, der uns helfen kann, ich sah mich schon mit einem Kind mit PEG nach hause fahren. Warum macht er das, er hat uns doch Tage zuvor gezeigt, dass er essen kann?

Schon wieder 200 Gramm abgenommen, zeigt die Waage am nächsten Morgen, er brüllte nur noch den ganzen Tag, ich steckte ihn nach zwei Stunden ununterbrochenem Gebrüll ins Bett, ich wollte nicht mehr. Warum habe ich kein Auto hier, ich wollte wieder nach Hause, schlimmer konnte es dort auch nicht sein.

Visite – Anschiss - ich solle Ellert nicht brüllen lassen, das frustriert ihn! Überhaupt solle er alles machen, was er will, essen, trinken, nichtessen und nichttrinken. War ich im falschen Film, wir bewegten uns kilometerweise zurück. Und ich, was war mit meinem Frust? Ellert saß mittags wieder vor dem vollen Essenstablett, würdigte es keines Blickes, am liebsten hätte ich ihm die volle Puddingschüssel aufgesetzt. Noch nicht mal matschen war mehr angesagt, Hungerstreik total!

Meine bzw. Ellerts Rettung nahte, psychologischer Beistand, trotz Sonntag.

Ich hätte zwei Alternativen, entweder schlimmer nach Hause zu gehen als wir gekommen waren  oder aber ihn sich selbst entscheiden zu lassen, ob, wie und was er essen wolle. Irgendwann würde er sich entscheiden. Ich wagte ja gar nicht zu fragen wann denn endlich.

Dies saß, ich müsste endlich aufhören über ihn zu bestimmen, das war die Botschaft.

Also, raus aus dem Hochstuhl, auf den Schoß. Verzweifelte Blicke meinerseits, und nun? Wenn er nicht will soll er es lassen. Ich holte ein Kitkat, dies verschlang er gierig, verlangte nach einem zweiten. Auch dieses aß er mit Genuss! Aber so was soll er doch nicht essen, ich wollte dass er was richtiges isst, aber ER soll es doch wollen lernen.

Frust auf der ganzen Linie, da stand ich nun wieder allein und noch verwirrter als vorher. Ich beschloss, das Essen hinter mir zu lassen, fuhr rein in die Stadt, supertolles Wetter, wir mussten an diesem Sonntag etwas unternehmen. Sonne macht gute Laune, so ging es dann auch mir, vom Schlossberg aus bot sich eine traumhafte Sicht auf die Stadt und die Berge. Auf dem Rückweg wollte ich noch schnell zu Mc Donald, das Essen im LKH war schrecklich, nicht nur Ellert nahm ab seit unserer Ankunft. Hey, ich will auch was, sagten da auf einmal gierige Blicke aus dem Kinderwagen, Pommes her oder ich brülle! Mein Kind wollte doch tatsächlich etwas essen, freiwillig und es schien im sehr zu schmecken. Fast die halbe Tüte frittierte Kartoffeln verschwand in seinem Bauch, Cola light diente zum Nachspülen.

Der Montag fing gut an, Ellert aß zum Frühstück Hönigbrötchen, nicht viel aber dafür wollte er umso mehr von meinem Milchkaffee trinken, würde ihm das Koffein nicht schaden?

Die Tür ging auf, nicht ungewöhnlich auf der Station, Therapeuten hatten wir in Massen. Dieses mal nahte aber Unglück in Form der Verwaltungsangestellten, sie hatte Probleme mit der Kostenzusage unserer Kasse. Auf einmal sollten wir  ca. 200.000 Schilling vorausbezahlen, bis spätestens morgen Abend oder wir würden rausgeworfen. Das konnte doch wohl nicht wahr sein! Kurze Zeit später lag die Rechnung auf unserem Tisch, und nun?

Ich solle dies meinem Mann zu Hause überlassen erklärte mir Frau Prof.Dr.Dunitz-Scheer, sie hätte damit nichts zu tun. Nur leider kennt mein Mann sich darin gar nicht aus, ich telefonierte, diskutierte, lief von einer Stelle zur anderen, nichts half. 80 % würde meine Beihilfestelle sofort überweisen, aber das war der Verwaltung nicht genug. Alles oder nichts, ich war verzweifelt, jetzt abbrechen und dann? Allein und verlassen saßen Ellert und ich im Zimmer, das nahe Ende vor Augen, in der Nacht schliefen wir beide nicht. Vielleicht war dies ja auch nur ein böser Traum, aber am nächsten Morgen stand sie wieder da, die Verwaltungsdame, heute Abend das Geld oder ADE. Wieder telefonierte ich stundenlang, meine Aggression wurde größer und größer, keiner durfte mir in den Weg kommen. Mein Mann rotierte schon zu Hause, mehr als 20.000 DM zahlte die Beihilfestelle nicht vorab, den Rest versuchte er gerade privat zusammenzukratzen..

Am folgenden Morgen kam die nette Dame wieder, gleiches Spiel Geld her, oder aber wir können gehen. Spätestens am Abend wollte sie die Belege auf dem Tisch haben... Irre Überweisungskosten, unser Kinderarzt ließ meinen Mann Belege faxen, wir wussten am Abend immer noch nicht, ob der heutige Tag nicht der letzte hier war

Gleich bei der Ankunft musste ich für meine Aufnahme 1400 DM bar bezahlen, in Deutschland bezahlt dies die Krankenkasse, die dortige Abrechnungsstelle war unfähig, diesen Betrag auf Ellerts Rechnung zu schreiben. So blieb uns nichts anderes übrig als den Betrag selbst zu zahlen, ebenso wie den Flug, ein insgesamt teures Wagnis... An den beiden Tagen lebte Ellert von Luft und Liebe, zum Füttern hatte ich keine Nerven mehr. Die Waage rächte sich prompt, 8500 gr, Tiefstand. Er sah nun aus wie Haut und Knochen, unsere Docs zu hause wären entsetzt gewesen, die Sonde hätten sie schon längst wieder gelegt.

Am 11. Tag entdeckte Ellert Frühstück, mein Milchkaffee und ein halbes Honigbrötchen verschwanden wie durch Zauberhand in seinem Mund. Lecker! Die gute Laune kehrte langsam bei uns beiden zurück.

Beim Mittagessen versuchten wir eine neue Füttermethode. Auf Mamas Schoß von Mamas Teller. Ein Schüsselchen Spaghetti Bolognese, ich kam mit dem Füttern kaum nach, Ellert meckerte und gierte, dieses Video hätte ich gerne einmal gesehen. Ich erkannte mein Kind nicht mehr, so nah liegen Höhen und Tiefen beieinander. Ellert hatte sich offensichtlich zum Essen entschieden. Trinken klappte aus der Puppentasse der Logopädin auch ganz gut, nur die Menge ließ immer noch stark zu wünschen übrig.

Am nächsten Tag fragte ich mich dann, was wir hier noch sollten, mit dem Essen schien es nun prima zu klappen. Aber: Ellert weinte, brüllte, heulte, war verzweifelt, warum nur? Die Nahrungsumstellung machte ihm zu schaffen, der Bauch tat weh. Tagelang blieb die Hose leer.

Auch der Einlauf machte ihn nicht glücklicher, wie ein Affenbaby klammerte er sich an mich, heulte herzzerreißend, seine kleine Welt lag in Scherben. Nie hatte er Mama so eng bei sich und doch war er so unendlich traurig. Ich konnte ihn nicht verstehen, würde am liebsten mitweinen, psychologische Erklärungen machten mich auch nicht schlauer.  Mit fast drei Jahren wollte er wieder känguruhen, schlief zwei Stunden auf meiner Brust. War es ein Fehler herzukommen?

Am nächsten Tag war wieder weniger Essen angesagt, die Waage ging einmal hoch und einmal runter, Nudeln aus der Suppe können ja auch nicht dick machen. Er weite nun weniger, ließ sich den ganzen Tag von mir auf dem Arm über die Station tragen – wehe ich setzte mich mal hin...

Es war wieder einmal Wochenende, die Station wie ausgestorben. Die verbliebenen Teenies bekriegten sich, wir flohen in die Stadt zum Fotografieren. Abends gab es für Ellert extra  Kaiserschmarrn, er fraß wie eine siebenköpfige Raupe. Trinken hatte er sich nun selbst gewählt, Cola war das beste. Mein armes Gewissen, sollte dies gut sein für ein kleines Kind, die Entscheidung wollte mir keiner abnehmen. Überhaupt schien mir nun das Ganze ziemlich konzeptlos, machen Sie was sie denken ist die Devise. Damit hatte ich größere Probleme, mehr hatte ich schon erwartet, nicht unbedingt fertige Lösungen aber zumindest etwas mehr Struktur.

Die nächsten Tage vergingen mit Hoch und Tiefs, Zunehmen wechselte sich mit Abnehmen ab, die Tendenz ging aber klar nach oben. Ellert entwickelte ungewöhnliche Essgewohnheiten, viel Süßes wie Milchschnitte oder Kitkat, Schokolade und Cola , Pommes & Nudeln waren auch essbar, alles was nach Babynahrung aussah lehnte er nun konsequent ab, z.B. Kartoffelbrei. Milchprodukte wie Pudding oder auch Obst erklärte er für ungenießbar, gesund war seine Nahrung ganz und gar nicht.

Aber er saß auf meinem Schoß und zeigte ganz klar was er wollte. Ich hielt die Gabel in der Hand, er zog sie her oder stumpte sie weg, je nachdem was er wollte. Er hatte gelernt, dass ich seine Entscheidung akzeptierte, wenn er nicht mehr wollte war das Essen beendet.

Man konnte nun zuschauen, wie die Mengen mehr wurden, zum Frühstück schaffte er zum Teil ein ganzes Brötchen mit 140 ml Kaba, unvorstellbar!

Zum Ende unseres Aufenthalts hatte er die 9 kg-Grenze wieder überschritten, war immer noch sehr jämmerlich ohne ersichtlichen Grund, schlief nur noch bei mir im Bett ein und auch die Verstopfung hatte sich nur minimal gebessert. Nach Ansicht der Diätassistentin sollte er einen Liter am Tag trinken, ich war ja schon froh, wenn er 300 ml schaffte – utopisch.

Das gutgemeinte Angebot der Schwestern, Ellert ruhig mal abzugeben wenn ich zeit für mich brauchte, konnte ich jedoch nicht annehmen, er heulte ja schon wenn er merkte, ich würde ihn von meinem Arm nehmen.

Drei Wochen waren schnell vergangen, am Ende zogen wir Bilanz, was alles geklappt oder auch nicht geklappt hatte:

- Der größte Kritikpunkt war die Streitigkeit mit der Verwaltung, die in unseren Augen sehr wohl vermeidbar gewesen wäre. Zwei Tage Psychoterror machten so manchen Therapieerfolg zu Nichte. Wir hatten im Vorfeld schon genug Mühe überhaupt eine Genehmigung für einen Auslandsklinikaufenthalt zu bekommen, dass man uns dort unten auch noch Knüppel zwischen die Füße werfen würde hätten wir nicht gedacht!

- Ich kam mit der Erwartung nach Graz, dass wir versuchen, Ellert ein möglichst normales Essverhalten zu ermöglichen, wenn er es im Rahmen seiner Behinderungen könnte. Ich war der Ansicht, er hätte diese Chance verdient, die Logopädin wohl nicht, die Diskussionen darüber fand ich nicht sehr ermutigend - um mich zu rechtfertigen kam ich nämlich nicht her.

- Für mich ungewohnt war der riesige Pulk an Visite, der täglich zu uns strömte. Ich kannte am Ende gerade mal 7 Leute von denen ich wusste, für was sie zuständig waren und die sich auch bei uns vorgestellt hatten. Der Rest stand immer nur daneben und ich dachte im Stillen, was geht die das eigentlich an...

- Auch verstehe ich bin heute noch nicht, warum Ellert keine Krankengymnastik in Graz bekommen hat, das hatten wir am Anfang so besprochen. Nach dreimaligem Nachfragen habe ich es dann abgeschrieben.

- Nach Auskunft von Freunden sind Ellert und ich reichlich desillusioniert von Graz nach Hause gekommen. Negative Andeutungen zu unserem behinderten Kind waren recht viele da, die ich nicht so recht einordnen konnte, nachfragen brachte auch keine Klarheit.

-Ungewohnt am Anfang waren sicher im Vergleich zu unseren bisherigen Klinikaufenthalten die anderen Kinder auf der psychosomatischen Station. Wir haben uns aber ganz gut mit den Teenies arrangiert, sie rissen sich zum Teil um unser „Baby“, leider wollte er sich nicht von ihnen rumtragen lassen.

- Großen Gefallen fanden wir an unserer Freiheit, in der freien Zeit hinzugehen wo wir wollten. So konnten wir ungehindert die Stadt unsicher machen. Anderswo muss man heimlich in die Stadt, aus dem Gelände darf man nicht raus.

- Die psychologische Betreuung dort unten war anders als erwartet, was aber auch daran lag, dass ich nicht unbedingt ein einfacher Mensch bin und es nicht lassen kann, meine Meinung zu sagen. Ich bin recht anspruchsvoll, mein Kind ist mir heilig und für ihn ist das Beste gerade mal gut genug. Damit fiel ich wohl gleich in der ersten Woche negativ auf. Meine abweisende Art hielt den uns zugewiesenen Studenten, den ich über´s Internet auch schon von Deutschland her kannte und mich dort auch recht gut mit ihm austauschen konnte, von einer intensiveren Betreuung ab...

- Auch wenn Ellert es nicht unbedingt zu schätzen wusste, das Essen für ihn war immer ganz liebevoll gemacht. Allein die vielen Tellerchen und Schüsselchen, die bunten Farben und vielen verschiedenen Geschmacksrichtungen, so was hatten wir noch nirgends erlebt. Schade dass wir von der Matsch-Aktion keine Fotos gemacht hatten. Bisher galt überall die Devise, mit Essen spielt man nicht!

Wie gesagt, Ellert wäre mit einem Stück Schokolade zufrieden gewesen aber das hätte ich zu Hause auch haben können. Den Aufwand dort kann man nicht hoch genug einschätzen und wahrscheinlich macht gerade auch das den Unterschied zu anderen Kliniken oder Zentren aus.

- Riesige Mühe hatte sich auch die Diätassistentin gemacht, die mit mir regelmäßig Ellerts Speiseplan absprach, als er dann was Normales gegessen hat. Wenn es mal nichts passendes für Ellert gab hat die Küche es extra gekocht, Ellert fand eine neue Vorliebe für Kaiserschmarrn und Gugelhupf, für mich blieb auch immer was übrig – meine Waage rächt sich schon!

In Sachen Essen können wir Graz nur loben, dort wurde etwas geschafft, was wir bei unzähligen Ansprechpartnern, in der Frühchenkur und auch im KINZ Maulbronn nicht geschafft hatten, Ellert aß freiwillig und zwar normale Dinge, er machte Schluss wenn er nicht mehr wollte.

Beim Einkaufen komme ich heute nicht mehr an der Spüßigkeitenkasse vorbei ohne einen Schokoriegel für Ellert zu kaufen, meine Vorstellungen von gesundem Essen habe ich im Moment bei Ellert auf Eis gelegt. Wir freuen uns, dass er zunimmt und geben ihm was er möchte.

Auch zu Hause hängt er weiterhin an mir wie eine Klette, ich weiß nicht, ob ich ihn mit der Aktion des Essenlernens nicht überfordert oder zurückgeworfen habe. Er schläft jetzt ganz bei mir im Bett, schaut mir beim Kochen auf meinem Arm zu.

Schneller füttern ist auch heute nicht drin, Ellert isst sehr langsam aber er kam einer normalen Ernährung doch einen großen Schritt näher.

Mittlerweile fanden wir koffeinfreies Cola light, das gebe ich ihm mit besseren Gewissen, Schokolade haben wir eingeschränkt, weglassen will ich sie aber nicht, er soll die Freude am Essen behalten! Unser Zauberwort heißt KOMPROMISSE eingehen...

Warten wir ab, was die Zukunft bringt, noch kann ich es nicht lassen ihn alle paar Tage zu wiegen und wenn er Tage hat, an denen er scheinbar keinen Hunger oder Durst zeigt, biete ich ihm ständig etwas Essbares an und wiege den Teller. Wenn man jahrelang auf jedes Gramm geschaut hat ist es sehr schwer diese Gewohnheit abzulegen!

Unser Ziel kann es sicher nicht sein, nun alle Eltern mit essgestörten Kindern ans LKH Graz zu verweisen, allein den hohen Eigenanteil an Kosten ( bei uns ca. 4000 DM)  kann sich nicht jeder leisten.

Sehr sinnvoll wäre es jedoch, wenn hiesige Kliniken und Ansprechpartner sich an den Erfolgen des dortigen Konzeptes orientieren würden.

Kinder lernen essen auf viele verschiedene Arten und Weisen – Zwang und Mindestmengen sollten der Vergangenheit angehören.

Unser Sohn wurde hier in Deutschland bis zum Erbrechen gemästet, wog mit einem Jahr fast 11 kg, für uns ein wahnsinnig schwieriger Schritt zu tolerieren, dass er seither konstant abgenommen hat.

Die abgenommenen 800 Gramm aus Graz hat er fast schon wieder zugenommen, zu Hause fing er aber seine Spinnerein auch wieder an. Es gibt heute Tage, an denen er außer einigen Süßigkeiten nichts isst und dann bringt er mich wieder zur Verzweiflung. An anderen Tagen isst er nur, wenn seine Schwestern ihn füttern oder der Papa, wer weiß, an was dies liegt. Solange er nicht massiv dabei abnimmt lassen wir ihm diese Launen, er soll ja selbst über sich bestimmen lernen.

Aktuell:

Ellert ist nun 12 Jahre alt und hat 36 kg, isst eigentlich prima wenn er etwas mag und macht uns in der Beziehung überhaupt keine Sorgen mehr !!!

Mit Schule und Pupertät wuchs der Hunger und auch die Speisenpalette so dass wir ihn heute bremsen müssen statt zu animieren.